Thema Knie
Endoprothetik: Vom Elfenbein zum High Tech-Material
Die Knieendoprothetik kann auf eine lange Historie zurückblicken.
Bereits im 19. Jahrhundert gab es erste Versuche, Gelenke nachzubilden.
31. Mai 2021
In der „Orthopädischen Heilanstalt“ in Würzburg überbrückte J. Anton Meier (1798-1860) nach sparsamer Entfernung von Gelenkanteilen den Defekt mit körpereigenem Gewebe des Patienten, um eine Verknöcherung und damit Versteifung des Gelenks zu verhindern. Einige Jahrzehnte später entstand die Idee, aus einem knochenähnlichen Fremdmaterial und einem Scharnier ein Ersatzgelenk zu konstruieren
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es einen Entwicklungsschub für Endoprothesen: zum einen wurden neue Prothesen aus Stahl hergestellt, zum anderen mit langen Schäften versehen, um sie im Markraum des Oberschenkels und des Schienbeins verankern zu können. Die Prothesen waren alle noch gekoppelt, also Scharniere (Abb.1).
Die Erfindung des Knochenzements Mitte der 60er Jahre verbesserte die Verankerung der Prothesen im Knochen gegenüber der Druck- und Biegebeanspruchung, aber durch Rotationsbewegungen kam es weiterhin häufig zur Lockerung der Prothesen.
Auch die Idee, nur einen Teil der Gelenkfläche des Kniegelenks zu ersetzen, stammt bereits aus den 1950er Jahren. So wurden beispielsweise nur die Gelenkfläche des Schienbeins und die Rückfläche der Kniescheibe durch Metallkappen ersetzt, die Gelenkfläche am Oberschenkel blieb hingegen erhalten.
Mit der Einführung des „low-friction“- Prinzips gelang dem Engländer Sir J. Charnley in den 1960er Jahren der entscheidende Durchbruch in der Endoprothetik. Durch die Verwendung einer Kombination aus Metall und Kunststoff wies das Implantat einen weitaus geringeren Reibungskoeffizienten und dadurch einen viel geringeren Abrieb auf.
1970 setzten Freeman und Swanson erstmals ungekoppelte Prothesen ein, bei denen die beiden Komponenten keine Verbindung hatten. Dies erlaubt ein an die natürliche Anatomie angelehntes Roll-Gleitverhalten im Kniegelenk, erfordert aber einen stabilen Kapsel-Band-Apparat.
Seitdem hat die Knieendoprothetik in allen Bereichen Fortschritte gemacht – mal größere, die der Patient wahrnimmt, mal kleinere, die eher dem Operateur die Arbeit erleichtern:
- Neue Materialien und Oberflächen sorgen für weniger Abrieb und damit längere Haltbarkeit.
- Neue Designs nähern sich der Anatomie des Kniegelenks an und verbessern so Bewegungsumfang und Funktion des operierten Knies.
- Neue Instrumente tragen dazu bei, dass das Gewebe bei der Implantation geschont wird und vereinfachen die Arbeit des Operateurs.
- Neue Konzepte zur Abschwellung und Schmerzbehandlung verringern die Komplikationsrate, erleichtern die Phase nach der Operation und beschleunigen die Rehabilitation.
- Dank Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) können patientenindividuelle Implantate und Schnittblöcke „maßgefertigt“ werden.
Mit Hilfe der Navigation können die Ausrichtung der Beinachse und die Positionierung des Implantats exakter erfolgen. Ob dies zu weniger Lockerungen führt und die Operationsergebnisse weiter verbessert, muss die Zukunft zeigen – für eine Bewertung sind Daten und Erfahrungen über einen langen Zeitraum notwendig.
Eine Renaissance erleben derzeit „Roboter“, die in Kombination mit der Navigation für mehr Genauigkeit und eine perfekte Positionierung der Implantate sorgen bzw. den Operateur hierin unterstützen sollen. Das „Navio-System“ von Smith & Nephew wird gegenwärtig in der ATOS Klinik Heidelberg bei Schlittenprothesen eingesetzt.